Nichts zu sagen

Bild von Marcus Knill
Wir leben in friedlichen Zeiten. Die meisten von uns mußten nie am eigenen Leib erfahren, was es heißt, unterdrückt und der Freiheit beraubt zu werden und um sein gutes Recht kämpfen zu müssen. Die schlimmen Zeiten geraten mehr und mehr in Vergessenheit. Damals hieß es: "Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir". Und sie haben es "besser", heute. Viel besser sogar.
So gut, daß sie gar nicht mehr wissen, wie anders es war zu früheren Zeiten. Worauf die Älteren stolz sind, ist selbstverständlich für sie. Mitbestimmung? (Gäähhhn....) Seine Interessen vertreten? (Wozu? Es gibt genug, die das für uns tun und denen das Spaß macht.) Deutlich sichtbar ist für die Jungen nur ein Überangebot an Zeitvertreib. Die Welt funktioniert automatisch und muß nicht gestaltet werden.
Wenn jemand wie ich, der 1968 fünfzehn war, begeistert Kataloge Neurowissenschaftlicher Lehrveranstaltungen gestaltet, ein Neurokognitives Masterprogramm entwirft, noch weitgehend unbekannte Testsubstanzen aus der ganzen Welt zusammen schnorrt und an diversen Rezeptoren testet, ohne Projekte und ohne Scharen von Studenten; dann tut er das mit einer Motivation, die damals vor 40 Jahren allgegenwärtig war.
Damals spielte das Radio die Lieder, die uns gefielen, vor allem WEIL sie uns gefielen und aus keinem anderen Grund. Heute sind solche Lieder fast verschwunden, man muß sie mit der Lupe suchen. Heute sitzen die Jungen gelangweilt vor 50 Kanälen, und sie kennen das Herzblut nicht mehr an seinem Glanze.
Und sie schauen auch nur mehr beiläufig in meinen Vorlesungskatalog und haben dazu - nichts zu sagen.
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