Natürlich hätte ich "Nein" sagen können. Aber wenn mich der Chef so lieb bittet... |
Am Anfang war es nur FIP1. FIP steht nicht für "Feline Infektiöse Peritonitis" (angeblich zur Zeit die Infektion mit der höchsten Todesrate - bei Jungkatzen), sondern schlicht für "Formative Integrierte Prüfung". Ihr folgte allerdings bald auch SIP1, die "Summative Integrierte Prüfung", und glaubt man den Medien, ist sie mit einer Durchfallrate von über 60% verbunden - bei Jungmedizinern. Ich hatte jedenfalls unlängst das zweifelhafte Vergnügen, bei beiden den Aufpasser zu spielen. Beim 1. Mal hat das bedeutet, 2 x 165 min lang jeweils 72 hoffnungsfrohe Medizin- Anwärter/innen im Auge zu behalten, beim 2. Mal waren es 1 x 122 Leut', 290 min lang. |
Und es ist kein Vergnügen, sich stundenlang mit z.T. an den Haaren herbeigezogenen Fragen herum- schlagen zu müssen, weder für die Prüflinge, noch für die Aufsicht. Für mich war das die einzige Möglichkeit, Einblick in das Fragenmaterial zu bekommen, und ich staunte nicht schlecht. Selbst bei Fragen aus meinem Fachbereich (Hirnforschung) hätte ich passen (bzw. raten) müssen. Jetzt weiß ich, warum ich nicht habilitiert bin: Ich bin einfach zu dumm für die höheren akademischen Weihen. Ich werde es nie schaffen, mir solche Fragen auszudenken (von den Antworten ganz zu schweigen). |
Und dabei stehen diese Prüflinge erst am Anfang ihres Studiums. Wie werden da erst die Fragen für die Fortgeschrittenen aussehen? Sie sind jetzt neugierig geworden und wollen wissen, um welche Fragen es sich da handelt? Mit diesem Wunsch sind Sie nicht allein. Auch bei den Prüfungskanditat(inn)en herrscht reges Interesse. Allein: Man verrät sie ihnen nicht. Sie könnten sie ja sonst vor der Prüfung auswendig lernen, und da sei Gott vor! Wir wurden sogar angewiesen, das Abschreiben der Fragen während der Prüfung zu verhindern. Ich habe mich geweigert, diese Anweisung zu befolgen. Worauf man mir erklärte, ich würde mich bei jenen Kollegen unbeliebt machen, die sich dann neue Fragen ausdenken müßten. |
Sei's drum. Sollen sie sauer sein auf mich. Hauptsache, die Student(inn)en lernen brav Prüfungsfragen auswendig. Vielleicht bleibt ja was hängen fürs spätere Medizinerdasein. Wie man es richtig machen müßte ist klar: Man müßte Fragen stellen, die nicht nur durch Ankreuzen von Kastln zu beantworten sind. Aber dazu müßte man das Ganze von Menschen aus Fleisch und Blut auswerten lassen. Und das können wir uns heutzutage leider nicht mehr leisten, weil dafür (A) weder das Budget reicht, noch (B) das didaktische Niveau der Universitätslehrer. Fragebögen austeilen und einsammeln, das können sie grad noch. Beim Ausdenken von Prüfungsfragen fängt's schon an, schwierig zu werden. |
Ich sehe den Tag kommen, da wird's an
der Uni nur noch automatische Ein - Personen - Prüfungskabinen geben. Das
G'wand muß man im Vorraum lassen. Dann sitzt man - ohne was - vor
einem Bildschirm. Und tippt. Und tippt. Und tippt. Und nach Ablauf der Zeit
schließt sich das Programm von selbst: "Wir danken Ihnen, daß
Sie unsere Studienrichtung gewählt haben. Vielleicht klappt's ja beim
nächsten Mal." Dann braucht man endlich gar keine Universitätslehrer
mehr.
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7/05 < MB 7/05 > 7/05 |
PS: Einer Empfehlung der Volksanwaltschaft folgend, werden die Prüfungsfragen seit 2006 veröffentlicht. |