Bürokraten und Paragraphenreiter
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Als
Österreicher bin ich viele Jahre lang den heimischen Behörden und
Institutionen, wann immer es erforderlich war, mit spontanem
Urvertrauen gegenüber getreten. Eingaben, bürokratische Vorgänge,
Auskünfte, Bestätigungen aller Art – alles kein Problem. Man muss nur
einfach drauflos formulieren, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Man
wird verstanden, es wird einem geholfen, er wird geduldig erklärt. Im
Großen und Ganzen ging es immer relativ vernünftig und nachvollziehbar
zu. Seit einigen Jahren jedoch verspüre ich eine deutliche Trübung
dieser Atmosphäre. Ich versuche anhand von 5 Beispielen mein wachsendes
Unbehagen zu verdeutlichen.
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Vor
etlichen Jahren vergaß ich, das am Bankomaten abgehobene Geld zu
entnehmen (ich wurde abgelenkt). Erst am nächsten Tag fiel es mir auf.
Rücksprache mit der Bank ergab tatsächlich den von mir vermissten
Betrag als Überschuss im fraglichen Bankomaten. Ich erhielt anstandslos
mein Geld. Als Hirnforscher begann ich mich für das Problem
wissenschaftlich zu interessieren: Wie oft kommt es zu solchen
Unachtsamkeiten? Was wäre passiert, wenn ich mich nicht gemeldet hätte?
Per E-Mail nahm ich Kontakt mit meiner Bankberaterin auf. Diese verwies
mich an die Betreiberfirma des Bankomaten. Dort war Endstation. Weder
die Bank noch die Firma konnte ich für das an sich hoch interessante
Thema interessieren.
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Vor
ca. 3 Jahren musste meine Gattin (sie hat die Israelische
Staatsbürgerschaft) ihren Aufenthaltstitel verlängern. Im Zuge dieser
Amtshandlung wurde auch ich zur Vorlage einiger Unterlagen
aufgefordert. Der Staat Österreich wollte sichergehen, dass die um
weiteren Aufenthalt ansuchende Person nicht wegen Mittellosigkeit der
Allgemeinheit zur Last fällt. Wir waren zuversichtlich dass meine
Stellung als pragmatisierter Uni-Assistent und meine Kontoauszüge diese
Sorge zerstreuen würden. Weit gefehlt: das Amt bestand zusätzlich auf
der Bestätigung durch einen Kreditschutzverband. Ich geriet in Rage und
schrieb einen geharnischten Brief. Immerhin hat eine Stadträtin ein
paar Zeilen geantwortet, aber in der Sache gab man keinen Millimeter
nach.
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Vor ca.
2 Jahren geriet ich in die Fänge der Statistik Austria. Jemand wollte
mich mit einem umfangreichen Fragebogen besuchen. Ich wollte mich zu
Hause nicht stören lassen. Ich fand den Fragebogen im Internet, füllte
ihn aus und schickte ihn hin. Geht so nicht, wurde mir beschieden.
Strafverfügung, Einspruch, neuerliche Straf- verfügung. Die von mir um
Hilfe gebetene Volksanwaltschaft erklärte sich für nicht zuständig. Der
nächste Schritt hätte einen Anwalt erfordert. Ich zahlte.
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Für meine pflegebedürftige Mutter spendiert die BVA pro Quartal 10 x 28
Windelhosen. Die Firma bietet 2 Sorten an (selber Preis), nur eine
davon wird von der BVA übernommen. Blöder Weise verträgt meine Mutter
ausgerechnet diese Sorte nicht, wohl aber die andere. Trotz
Verschreibung durch die Hausärztin bleibt die BVA stur. Zum Glück ist
der Bandagist bereit, auf die Rechnung etwas anderes zu schreiben als
wir bekommen. |
Als ich
letztes Jahr wieder einmal eine Slowakische Pflegerin meiner Mutter
anmelden wollte, wurde ich am Meldeamt 1170 abgewiesen: Ich dürfe nicht
für meine Mutter unterschreiben, meine Sachwalter- schaft bezöge sich
nur auf medizinische Belange, nicht auf Amtswege. Ich wollte mich nicht
herumstreiten und ging zum Meldeamt meiner Mutter (1130). Dort klappte
die Meldung ohne Diskussion.
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Fünf Beispiele die
nichts miteinander zu tun haben? Die nur eines gemeinsam haben: mich,
einen notorischen Querulanten? Seit kurzem bin ich im Ruhestand, so wie
auch viele Beamte und Funktionsträger der verschiedenen Institutionen,
mit denen ich die geschilderten unliebsamen Erfahrungen machen musste.
Jene Generation, die nach Weltkrieg und Staatsvertrag mit Eifer und
Freude ihre berufliche Tätigkeit dem wieder erstandenen Österreich
gewidmet hatte, ist inzwischen nicht mehr im Dienst. Übernommen haben
Bürokraten und Paragraphenreiter. Normalität ist eingekehrt. Meine
Diagnose verheißt keine Aussicht auf Besserung. Leider. Man kann nur
versuchen, einander gegenseitig durch Schilderung solcher Erlebnisse zu
trösten.
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10/18 < MB (2/19) > 2/19
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