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"Me too!" rufen sie seit Jahr und Tag allenthalben, in fernen Landen und auch hier. Empörend ist es, was man da so hören und lesen muss. Gar Arges und Schlimmes ist passiert: Übergriffe, Zudringlichkeiten, bis hin zur Gewalt. Das alles muss jetzt raus, muss ans Licht, ans helle. Was damals noch privat geschah, in vermeintlich trauter Zweisamkeit, kommt jetzt ins Boulevard und vor den Kadi. Was ist geschehen? Man reibt sich die Augen... |
Es wird ein bisschen viel in letzter Zeit. Unwillkürlich fühlt man sich an Die Ärzte erinnert:
Männer sind Schweine. So haben sie schon 1998 konstatiert. In der
aktuellen Kampagne werden noch viel ältere Geschichten ausgegraben. Was
soll man davon halten? |
Zunächst
einmal: das Stereotyp 'Männer' bzw. 'Mann' ist genauso wie es sich
'Frauen' wünschen. Stereotype sind tradierte Rollenbilder mit hoher
chronologischer Stabilität. Das mag uns stören oder nicht, aber
abschaffen lassen sich solche Zuschreibungen und Erwartungshaltungen
nicht von heute auf morgen. |
Der
Grundkonsens darüber, was in einer Gesellschaft 'geht' und was
'daneben' ist, wird jeden Tag neu verhandelt. Änderungen in diesem
Grundkonsens erfolgen in der Regel zunächst informell und spontan, ohne
dass alle Teilnehmer einer Gesellschaft im Detail ausformulieren
könnten, worum es gerade geht. 'Man' tut es einfach, oder man lässt es.
Man wird dann schon sehen, was man davon hat. |
Psychologen sprachen einmal von 'Spielen der Erwachsenen'. Bei einem Spiel tätigen mindestens 2 Teilnehmer einen Einsatz und hoffen auf Gewinn.
Die im Rahmen der aktuellen Me-Too-Debatte aufgepoppten Fälle könnte
man als (späte) Wendungen solcher Spiele betrachten. Auffallend am
aktuellen Diskurs ist die Rollenverteilung: Fast immer ist der (mit
meist beträchtlicher zeitlicher Verzögerung) geoutete Täter ein
prominenter Mann. |
Dieser
schon damals prominente Mann
'hatte etwas' mit einer Dame in seinem Wirkungskreis. Was auch immer
damals geschah: zunächst drang nichts nach außen. Es mag sogar sein,
dass die Dame - auch wenn ihr die Geschichte an sich unangenehm war -
noch jahrelang einen gewissen Mehrwert aus der Erinnerung daran
schöpfte: diesem berühmten Mann hatte sie gefallen, dieses kleine
Geheimnis teilten sie jetzt miteinander. Eigentlich ist sie ja dadurch
auch ein bisschen und fast - berühmt. |
Blass wurde die Dame
erst viel später: als sie nach und nach erfahren musste, mit wievielen
anderen Damen derselbe berühmte Mann ganz ähnliche 'Geheimnisse'
teilte. Damit verlor die so lange gehütete Erinnerung massiv an Wert.
Aber es bot sich eine Chance zur Rache: der mediale Pranger. Dort steht
der arme Mann jetzt ganz allein als Bösewicht, sogar wenn er schon
lange tot ist. |
Dumm gelaufen. Spiel
doch noch verloren. Nur: ein 'Gewinner' dieses
Spiels ist weit und breit nicht auszumachen. An sich haben am Schluss
beide verloren. Aber halt: es gibt ja noch die geifernden Leser des
Boulevard. Die haben auf jeden Fall gewonnen. Unterm Strich gibt es
also - wie in jedem sich erfolgreich verbreitenden Spiel - mehr
Gewinner als Verlierer. |
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