Bitte halten Sie Ihre E-Card bereit!

Gehen Sie gerne zum Arzt? Oder gar in die Ambulanz eines Spitals? Meistens verbinden wir mit solchen Besuchen unangenehme Gefühle. Nur ich kann alle 2 Jahre entspannt in der Ambulanz der Arbeitsmedizin (AKH, Wien) sitzen und dabei zusehen, wie Patienten kommen und gehen, oft mit sorgenvoller Miene, mit Schmerzen gar. Weil es so Vorschrift ist. Ich muss. Das Strahlenschutzgesetz verlangt es von mir.
So auch heute Vormittag.  Es war wieder einmal höchste Zeit, fast 25 Monate nach meinem letzten Besuch; und eine ‚mündliche Verhandlung‘ (so die euphemistische Bezeichnung der Kontrollinstanz, der MA 64) stand zu allem Überfluss auch noch ins Haus. Was tut man als braver Staatsbürger (und Strahlenschutzbeauftragter!) nicht alles, um dem Buchstaben des Gesetzes Genüge zu tun. Wie weit würde ich eigentlich gehen? Wozu wäre ich noch alles bereit?
Das Etui mit meinen diversen Plastikkarten hatte ich eigentlich in meiner Umhängetasche vermutet. Nur: als ich zu meinem Termin ins AKH eilen wollte, erwies sich das als Irrtum. Es musste folglich zu Hause liegen, wahrscheinlich in der Lade meines Kleiderschranks. Zum Glück fahre ich mit dem Rad nur 7 min nach Hause. Das Etui mit meinen Karten fand sich dort, wo ich es vermutet hatte. Mit 15 min Verspätung traf ich glücklich mit ausgefüllten, unterschriebenen und abgestempelten Formularen und mit meiner E-Card beim Schalter ‚Arbeitsmedizin‘ der Station 7i ein.
"Bitte halten Sie Ihre E-Card bereit!" steht in großen Lettern an der Glaswand des Schalters. Also zücke ich bereitwillig meine glücklich doch noch herbeigeschaffte Karte und warte. Als ich an der Reihe bin, fördert die freundliche Dame einen Ordner mit meinem Namen und meinen Daten zutage und scannt über diverse bar codes. Meine E-Card? Die braucht sie nicht. Ich kann sie also ruhig wieder hineinstecken in mein Etui und das Etui in die Hosentasche schieben.
Danach betrachtete ich versonnen noch eine ganze Weile diesen martialischen Text neben dem Schalter, Schriftart ARIAL, Größe 48, kursiv gesetzt. Ich hatte keine Sekunde gezögert, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Welchen anderen Aufforderungen wäre ich noch bereit, Folge zu leisten? Mit welchen Aufforderungen war meine Eltern-, meine Großelterngeneration konfrontiert? Wahrscheinlich hätte ich in einer anderen Zeit ebenso bereitwillig meinen Ariernachweis beigelegt, wenn man das von mir verlangt hätte.
6/09 <         MB 9/09          > 10/09