Das Ende einer Institution
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Auch
wenn die Weltwirtschaft schwer zu kiefeln hat am Abschwung, der letztes
Jahr begonnen hat, so scheint für manche Entscheidungsträger immer noch
das Geld das Maß aller Dinge zu sein. |
Wie
kann ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer österreichischen
Universität am besten seine Daseinsberechtigung unter Beweis stellen?
Indem er die Ergebnisse seiner Arbeit veröffentlicht? Weit gefehlt.
Damit bringt er seine Arbeitgeber nur in die Verlegenheit, Zeit mit der
Lektüre von Texten mit fachfremden Inhalten verschwenden zu müssen. |
Im Prinzip
interessiert die Universitäten heute nicht im
Geringsten, mit welchen Themen sich ihre Mitarbeiter beschäftigen. Das
einzige, was zählt, ist das liebe Geld. Ein Mitarbeiter ist umso
wertvoller, je mehr Geld er requirieren kann zum Betreiben seiner
Forschungen. |
Die
Universität wird traditionell als Institution definiert, der die Pflege
und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium
obliegt. Die meisten Universitäten werden heute dieser Rolle nicht mehr
gerecht. Sie stellen immer mehr ein Sammelsurium von Individualisten
und Einzelkämpfern dar, die besonders geschickt im Aufstellen von
Geldmitteln sind. |
Die
"Güte" einer Arbeitsgruppe bzw. Abteilung bemißt sich nach der Anzahl
der Millionen, die sie Jahr für Jahr aus verschiedenen Fördertöpfen
lukrieren kann, unabhängig davon, wie relevant die Forschungsergebnisse
für die "Pflege und Entwicklung der Wissenschaften" tatsächlich sind. |
Die
Universitäten treten dabei nur noch formal als Arbeitsgeber in Erscheinung. Die Einflußnahme auf Forschungsinhalte
hat sie längst an mehr oder weniger kompetente "Dritte" abgetreten, die
mit unterschiedlichster Motivationslage darüber befinden, was gefördert
wird und was nicht. Die Richtung geben jene vor, die das meiste Geld
zur Verfügung stellen. |
Seit
die Universitäten "in die Autonomie entlassen" wurden, stellen sie
ihren Fakultäten und Instituten immer weniger Geld zu Verfügung. Nach
Max Weber bedeutet „Autonomie [...], daß nicht, wie bei Heteronomie,
die Ordnung des Verbands durch Außenstehende gesetzt wird, sondern
durch Verbandsgenossen". Was die Forschungstätigkeit an den aktuellen Universitäten betrifft,
wird die "Ordnung" schon längst durch Außenstehende gesetzt. |
Ablehnungsquoten
jenseits der 60% bei der Vergabe nationaler Bundesmittel haben in den
letzten 10 Jahren Heerscharen frustrierter Mitarbeiter produziert, die
längst von Kreativität auf Lobbying oder auf "Dienst nach Vorschrift"
umgeschaltet haben. Es würde wieder 10 Jahre mit günstigeren Quoten brauchen, bis eine neue
Generation von Antragstellern gelernt hat, daß es sich
auszahlt, Mühe in die Konzeption origineller Projekte
zu investieren. |
Eine zentrale Aufgabe von
Universitäten mit öffentlichem Bildungsauftrag ist die Bewahrung,
Vermehrung und Vertiefung des Wissens. Da die Erfüllung dieser Aufgabe
nur selten dazu ausreicht diejenigen, die dieser Aufgabe nachkommen, zu
ernähren (auch Sokrates mußte mit der Bildhauerei seine Brötchen
verdienen), müssen universitäre Tätigkeiten aus öffentlichen Geldern
finanziert werden. |
Da diese Gelder in den letzten
10 Jahren nur spärlich geflossen sind, haben viele wissenschaftliche
Mitarbeiter an den österreichischen Universitäten die Lust am Forschen
verloren. Sie werden zwar im Prinzip vom Arbeitgeber dafür bezahlt, für
Zuwachs und Vertiefung von Wissen zu sorgen; die erforderlichen Mittel
werden jedoch nicht oder nur unzureichend bereitgestellt. |
Man stelle sich einen Bäcker
vor, der einen Gesellen anstellt und ihm den Auftrag gibt, Brot zu
backen, ohne ihm das dazu erforderliche Mehl zur Verfügung zu stellen.
Welchen Einfluß wird er wohl auf die Güte des in seinem Namen produzierten
Brotes haben? |
6/09 < MB
(6/09) > 9/09
hardships.html
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Max Weber (1922) Wirtschaft und
Gesellschaft, Teil 1, Kap. 1, § 12. |