BewilligungsquotenBewilligungsquoten und inflationsbereinigte Vergabesummen des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF); aus info68 (1/09), -13-.
http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/printprodukte/info/info68-09-01.pdf

Das Ende einer Institution

Auch wenn die Weltwirtschaft schwer zu kiefeln hat am Abschwung, der letztes Jahr begonnen hat, so scheint für manche Entscheidungsträger immer noch das Geld das Maß aller Dinge zu sein.
Wie kann ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer österreichischen Universität am besten seine Daseinsberechtigung unter Beweis stellen? Indem er die Ergebnisse seiner Arbeit veröffentlicht? Weit gefehlt. Damit bringt er seine Arbeitgeber nur in die Verlegenheit, Zeit mit der Lektüre von Texten mit fachfremden Inhalten verschwenden zu müssen.
Im Prinzip interessiert die Universitäten heute nicht im Geringsten, mit welchen Themen sich ihre Mitarbeiter beschäftigen. Das einzige, was zählt, ist das liebe Geld. Ein Mitarbeiter ist umso wertvoller, je mehr Geld er requirieren kann zum Betreiben seiner Forschungen.
Die Universität wird traditionell als Institution definiert, der die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium obliegt. Die meisten Universitäten werden heute dieser Rolle nicht mehr gerecht. Sie stellen immer mehr ein Sammelsurium von Individualisten und Einzelkämpfern dar, die besonders geschickt im Aufstellen von Geldmitteln sind.
Die "Güte" einer Arbeitsgruppe bzw. Abteilung bemißt sich nach der Anzahl der Millionen, die sie Jahr für Jahr aus verschiedenen Fördertöpfen lukrieren kann, unabhängig davon, wie relevant die Forschungsergebnisse für die "Pflege und Entwicklung der Wissenschaften" tatsächlich sind.
Die Universitäten treten dabei nur noch formal als Arbeitsgeber in Erscheinung. Die Einflußnahme auf Forschungsinhalte hat sie längst an mehr oder weniger kompetente "Dritte" abgetreten, die mit unterschiedlichster Motivationslage darüber befinden, was gefördert wird und was nicht. Die Richtung geben jene vor, die das meiste Geld zur Verfügung stellen.
Seit die Universitäten "in die Autonomie entlassen" wurden, stellen sie ihren Fakultäten und Instituten immer weniger Geld zu Verfügung. Nach Max Weber bedeutet „Autonomie [...], daß nicht, wie bei Heteronomie, die Ordnung des Verbands durch Außenstehende gesetzt wird, sondern durch Verbandsgenossen". Was die Forschungstätigkeit an den aktuellen Universitäten betrifft, wird die "Ordnung" schon längst durch Außenstehende gesetzt.
Ablehnungsquoten jenseits der 60% bei der Vergabe nationaler Bundesmittel haben in den letzten 10 Jahren Heerscharen frustrierter Mitarbeiter produziert, die längst von Kreativität auf Lobbying oder auf "Dienst nach Vorschrift" umgeschaltet haben. Es würde wieder 10 Jahre mit günstigeren Quoten brauchen, bis eine neue Generation von Antragstellern gelernt hat, daß es sich auszahlt, Mühe in die Konzeption origineller Projekte zu investieren.
Eine zentrale Aufgabe von Universitäten mit öffentlichem Bildungsauftrag ist die Bewahrung, Vermehrung und Vertiefung des Wissens. Da die Erfüllung dieser Aufgabe nur selten dazu ausreicht diejenigen, die dieser Aufgabe nachkommen, zu ernähren (auch Sokrates mußte mit der Bildhauerei seine Brötchen verdienen), müssen universitäre Tätigkeiten aus öffentlichen Geldern finanziert werden.
Da diese Gelder in den letzten 10 Jahren nur spärlich geflossen sind, haben viele wissenschaftliche Mitarbeiter an den österreichischen Universitäten die Lust am Forschen verloren. Sie werden zwar im Prinzip vom Arbeitgeber dafür bezahlt, für Zuwachs und Vertiefung von Wissen zu sorgen; die erforderlichen Mittel werden jedoch nicht oder nur unzureichend bereitgestellt.
Man stelle sich einen Bäcker vor, der einen Gesellen anstellt und ihm den Auftrag gibt, Brot zu backen, ohne ihm das dazu erforderliche Mehl zur Verfügung zu stellen. Welchen Einfluß wird er wohl auf die Güte des in seinem Namen produzierten Brotes haben?
6/09 <          MB (6/09)          > 9/09
hardships.html
Max Weber (1922) Wirtschaft und Gesellschaft, Teil 1, Kap. 1, § 12.
siehe auch: Education /Erziehung