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Hit and run?

Natürlich schlägt man nicht mit harten Gegenständen auf Autos ein, schon gar nicht wenn diese im Bundeseigentum stehen; natürlich schiebt man keine mit Sekundenkleber getränkten Kleinteile in Zylinderschlösser, schon gar nicht wenn es sich um Eingangstore von Universitätsinstituten handelt; und natürlich sprüht man keine Riesenlettern auf Hauswände, wenn der Hauseigentümer nicht ausdrücklich darum gebeten hat. Dennoch kommt all das, obwohl es verboten ist, gelegentlich vor und wird dann natürlich strafrechtlich verfolgt.
Vandalenakte und Randalismus werden eher selten aufgeklärt. In Deutschland liegt die Aufklärungsquote bei Sachbeschädigungen seit Jahren um die 25%. Manche dieser Straftaten werden bei Nacht und Nebel von Einzelnen begangen; andere Delikte werden quasi 'im Rudel' verübt, im Rahmen eher turbulenter Ereignisse unter Beteiligung unübersichtlicher Massen. Kommt es tatsächlich zu einer Anklage, verlaufen solche Prozesse nicht selten ergebnislos.
Irgendjemand war es immer. Jemand schlug ein auf den Einsatzwagen (wahrscheinlich gemeinsam mit anderen - allein hätte sie/er sich nicht getraut); jemand zerstörte die Schlösser der Eingangstüren; und auch die diversen Verzierungen an Hauswänden (oft von spröder Qualität) sind nicht von selbst dort aufgetaucht. Dieser Jemand fand womöglich nicht einmal etwas dabei, fühlte sich vielleicht sogar berechtigt zu solchem Tun, oder hielt es zumindest für vertretbar und einem 'höheren' Zweck dienlich. Der Zweck heiligt ja bekanntlich (manchmal) die Mittel.
Wo aber sind sie, die wahren Täter, wenn es darum geht, Farbe zu bekennen? Manche von ihnen landen vermutlich tatsächlich auf Anklagebänken und verlassen sie als unbescholtene Bürger, weil man ihnen nichts nachweisen kann - Pech für Iustitia. Andere kommen vielleicht in Verdacht, doch lässt man sie laufen. Und den ganz Geschickten kommt man nie auf die Spur. Kommt denn wirklich keine(r) von ihnen in Konflikt mit dem Gewissen? Können sie gelassen dabei zusehen, wie jemandem anderen für ihre Taten der Prozess gemacht wird?
Scheinbar schaffen sie das ohne Probleme. Nur geschickt genug muss man sein, darauf kommt es an. Hauptsache, sie erwischen dich nicht. Einmal möchte ich es erleben, dass sich einer hinstellt und sagt: Ja, ich war es. Ich hab die Scheibe eingeschlagen, das Schloss ruiniert, die E-mail geschrieben, die Hauswand besprüht, aus diesen und jenen Gründen. Verurteilt mich, sperrt mich ein, ich würde es wieder tun. Es würde nicht lange dauern und Unterstützungs-Kommittees würden sich bilden, Spendenkonten würden eingerichtet werden, Tausende würden sich solidarisch erklären.
Würde sich das dann nicht gleich viel besser anfühlen? Besser als immer nur heimlich-tun, sich verstecken, davonlaufen, sich ängstlich nach Zeugen umschauen, hoffen, dass einen niemand erkannt hat? Man braucht dazu Mut, und man braucht die sichere Überzeugung, für eine gerechte Sache einzutreten. Beides ist nicht leicht. Aber man sollte über beides in ausreichendem Maß verfügen, ehe man sich zu konsequenzenreichen Handlungen hinreißen lässt.
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