Zeichnung: Ludwig Michalek   (gettyimages)

Aus längst vergangner Zeit

'Trotz aller Mühe, welche auf das Studium des salzsauren Chitosamins (Glucosamins) bereits verwendet worden ist, sind die positiven Ergebnisse der Beschäftigung mit diesem Salz, eines chemisch wie physiologisch gleich interessanten, stickstoffhaltigen Kohlehydrates bis jetzt recht spärliche.'
Mit dieser nüchternen Feststellung beginnt ein gewisser Robert Breuer seinen Artikel 'Ueber das freie Chitosamin', erschienen anno 1898 in der Zeitschrift 'Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft'. Gestoßen bin ich auf diesen Text aufgrund eines unscheinbaren Verweises am Ende eines anderen Artikels: 'R. Breuer, Ber., 31, 2193 (1898)'.
Breuer? Breuer... Der Name sagte mir etwas. In Wien war um die vorletzte Jahrhundertwende ein Dr. Josef Breuer zugange, praktischer Arzt und Inspirator für Sigmund Freud. Einer seiner Söhne war auch Arzt und hieß tatsächlich Robert. Sollte er eventuell an der Allgemeinen Poliklinik (so die Adresse des Autors) gearbeitet haben?
Hat er! Wie das Internet mir unschwer verriet, war der junge Herr Breuer (geboren 1869) zur fraglichen Zeit tatsächlich dort als Assistent beschäftigt. Die Allgemeine Poliklinik befand sich seit 1892 in der Mariannengasse 10 und war mit einem für damalige Verhältnisse hochmodernen chemischen Labor ausgestattet.
Woher sein Interesse für das Kohlehydrat rührte, weiß ich nicht. Mir hat er jedenfalls nach über 100 Jahren mit seiner Beobachtung geholfen, dass diese Substanz als Base ziemlich instabil ist. Ich hatte mich die längste Zeit darüber gewundert, dass eine derart triviale Substanz nur als Salz diverser Säuren angeboten wird. Allerdings folgte ich nicht der von ihm beschriebenen Methode zur Darstellung der Base aus dem Hydrochlorid, denn für solche Zwecke gibt es seit 1947 praktischere Ionenaustauscherharze.
Berühmt ist Robert Breuer mit dieser Arbeit nicht geworden, wenngleich er es später zum Chefarzt des Rothschild-Spitals brachte. Eher wird er der Nachwelt durch einen Zufall in Erinnerung bleiben. Sein Vater betreute als Hausarzt den Komponisten Johannes Brahms in dessen letzten Lebenswochen. In der Nacht vom 2. zum 3. April 1897 wachte Robert Breuer an dessen Sterbebett.
In einem Brief an den Brahms-Biographen Max Kalbeck schildert er den Morgen, an dem Brahms starb. 'Als ich gegen ½7 Uhr geweckt wurde (ich hatte darum gebeten, denn ich war damals Unterassistent an der Klinik und mußte früh wieder im Spital sein) lag Brahms in tiefer, schlafähnlicher Bewußtlosigkeit. Der Puls war nahezu unfühlbar geworden. – Ich habe Brahms nicht mehr lebend gesehen: um¼8 Uhr mußte ich gehen.'
Wahrscheinlich widmete er sich im Anschluss jenen Experimenten, die zu der von mir heute noch genutzten Publikation führten.
2/16 <         MB 7/16          > 7/16
Music & art