www.kalaydo.de

Schöne Neue Arbeitswelt

Es ist doch wirklich unerhört: Da gibt es tatsächlich Leute, die sich etwas anderes wünschen als jahrzehntelange Lohnarbeit. Was für eine Frechheit! Die bleiben einfach zu Hause? Na, die trau'n sich was. Das wird ihnen noch leid tun, denn zur Strafe werden wir sie dann später im Alter hängen lassen.
Der endlich restlos entfesselte Markt dürstet nach Arbeitskräften, und wehe dem, der sich diesem Durst entzieht! Herbei, herbei! Auf in die Büros, in die Fertigungshallen, an die Kassen, in die Dienstleistungsbetriebe, Unterrichtsklassen, Betreuungseinrichtungen, Werkstätten und Verkaufslokale!
Freiheit? Die könnt ihr nach Dienstschluss genießen, da wisst ihr wenigstens, wovon ihr müde seid. Am besten genießt ihr sie, indem ihr euer brav verdientes Geld ausgebt. Aber verschwendet dabei möglichst wenig Zeit mit dem lästigen Bezahlen. Wir überlassen euch doch jetzt diese tollen elektronischen Karten: einmal kurz damit gewachelt, und schon ist alles erledigt. Auch der überflüssige smalltalk mit der Kasse soll das Arbeitspensum nicht länger schmälern.
Es ist mir ein Rätsel, warum vor allem Frauen quer durch den Medienwald vor den schlimmen Folgen gewarnt werden, die es angeblich haben wird, wenn sie sich nicht beizeiten mit Haut und Haaren ins Berufsleben stürzen. Hält man sie für dumm? Wie konnte es gelingen, alle Medien wie auf Kommando dasselbe Lied singen zu lassen?
Nein, sie sind nicht dumm, im Gegenteil. Sie können sich etwas Besseres vorstellen als 40 Stunden Woche für Woche auf ihre Selbstbestimmung zu verzichten - worauf das Berufsleben ja leider immer noch meistens hinausläuft. Schon von 'humanisierten Arbeitsstätten' gehört? Man richtet sie nach wie vor nur für Behinderte ein (arme Tschapperln halt...). Als normaler Mensch muss man sich 'Normales' bieten lassen.
Warum sind es mehr Frauen als Männer, die sich dem Diktat der Lohnarbeit entziehen? Mehrere Gründe bieten sich an: (1) Sie sind klüger. (2) Sie legen größeren Wert auf ein selbstbestimmtes Leben. (3) Sie fühlen sich zu Hause wohl. (4) Sie finden sich leichter etwas zu tun. (5) Sie haben ein angenehmes Wesen und werden zu Hause besser gelitten. (6) Sie vertragen auf Dauer langweilige Tätigkeiten nicht. (7) Sie gehen gut mit Kindern um.
Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt es noch: Männer sind im Durchschnitt größer und stärker als Frauen. Auf den ersten Blick scheint das auch eine Erklärung zu liefern, aber nur auf den ersten. Genauer betrachtet kommt es heutzutage bei den meisten Berufen nicht mehr auf Größe und Stärke an. Vielleicht kam es früher vor, dass schwache Frauen durch Androhung von Gewalt zur Arbeit gezwungen werden konnten.
Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Heute kann niemand mehr gezwungen werden, zumindest nicht in unseren zivilisierten Breiten. Frauen dürfen in unserem glücklichen Zeitalter zum 1. Mal selber frei entscheiden, und sie machen von dieser Möglichkeit immer mehr Gebrauch. Überraschung! Die machen wirklich, was sie wollen. Wer hätte das gedacht?
Wie werden die Gesellschaften mittelfristig darauf reagieren? Man darf gespannt sein. Immerhin: Missen will man sie ja doch nicht. Man (mann) wünscht sich eine Frau zu Hause, dort soll sie schalten und walten wie es ihr gefällt, und meistens ist mann damit hochzufrieden. Selten funktioniert das umgekehrt, woran auch immer das liegen mag (siehe oben).
Also wird mann die Versorgung im Alter anders als bisher regeln müssen. Vielleicht schaffen wir es ja gemeinsam (mann + frau), dieses kleine Problem zu lösen, wir müssen nur wissen, was wir wollen. Vor allen Dingen müssen wir endlich eines einsehen: dass es Männer und Frauen gibt, dass sie verschieden voneinander sind, und dass man sie nicht mit demselben Maßstab messen kann.
Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer (noch so ein Unterschied...). Zwar giert der Markt nach ihrer Kraft aber: Hoppla! Mit 55, spätestens 60 ist damit Schluss. Was für eine Idiotie... Dann, wenn sie sich die Zeit endlich besser einteilen könnten, lässt mann sie nicht mehr. Dabei könnten sie in dieser reifen Lebensphase noch so manchen Job ausfüllen, und hätten vielleicht sogar Lust dazu. Mann fragt sie nicht.
Etwas mehr Flexibilität wäre angebracht. Natürlich soll keiner und keine zum Arbeiten gezwungen werden. Arbeit unter Zwang wird selten gut getan.  Aber wenigstens sollte man niemanden durch Zwang von der Arbeit abhalten, und das geschieht leider durch die aktuellen 'Ruhensbestimmungen'.
Wir alle, egal ob Männlein oder Weiblein, wünschen uns menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Niemand will wie ein Trottel stereotyp vor sich hinwurschteln, froh über jede freie Minute. Froh wird man & frau nur bei einer Arbeit, bei der man & frau ein Minimum an Autonomie behalten darf: Eigenverantwortung, Einblick in den Sinn der Tätigkeit, Einfluss auf wesentliche Faktoren.
Erst wenn man / frau den Erfolg der eigenen Bemühungen erlebt, beginnt Arbeit Spaß zu machen. Trauen wir es uns allen zu! Wir müssen uns gemeinsam den Spaß an der Arbeit zurückholen. Dieser Spaß ist die Hauptsache, er beschert uns ein erfülltes Leben. Das Geld sollte endlich wieder zur Nebensache werden, wie in Alten Zeiten. Es hat lang genug unser Leben vergiftet.
2/19 <          MB (3/19)          > 4/19
Gender & society