Gladiatorenspiele?
|
Ich
gehöre zu jener belächelten Minderheit, die immer noch gerne
Formel-1-Rennen ansieht. Ich tue das schon ziemlich lange. Über die
Jahrzehnte hat sich vieles geändert. Die wichtigste Änderung betrifft
die Sicherheit. Früher tat ein Fahrer gut daran, sein Testament zu
machen, bevor er sich an den Start begab. Das ist
heute anders. Heute entsteigen Fahrer dem fürchterlichsten Crash -
nahezu unverletzt. Leider kommt es immer noch hie und da zu schweren
Verletzungen, und es sollte jede Anstrengung unternommen werden, die
Sicherheit weiter zu erhöhen.
|
In
diesem Zusammenhang registriere ich mit Besorgnis, dass die Rennen
'wieder spannender' gemacht werden sollen, durch stärkere und lautere
Motoren, wahrscheinlich verbunden mit höherem Tempo. Ich fürchte, ab
einem gewissen Tempo nützen die genialsten Sicherheitsvorkehrungen
nichts mehr. Allein das abrupte Herunterbremsen - ob jetzt rennbedingt oder im Rahmen eines Unfalls
- setzt Kräfte frei, die von den Nervenbahnen des Gehirns nicht immer
unbeschadet überstanden werden. Man kennt dieses chronische
Krankheitsbild nur zu gut aus dem 'Boxsport' und anderen Sportarten mit
intensivem Körpereinsatz (Baseball, Rugby; high velocity injuries).
|
Spannung soll dem Zuseher nicht aus der Frage erwachsen:
Stirbt einer, ja oder nein? So ging es in Alten Zeiten zu im
Amphietheater bei den Gladiatorenspielen. Im richtig verstandenen Sport
darf die Spannung nicht aus dieser Richtung kommen. Richtig verstandener Sport hat spielerischen Charakter und dient dem
Abführen sozialer Spannungen auf nicht-verletzende Weise - eine geniale
Erfindung, die der Mensch schon vor Jahrtausenden gemacht hat. |
Auch
der Autorennsport darf sich nur solange 'Sport' nennen lassen, solange
er alles daran setzt, dass aus Spiel nicht Ernst wird.
Er darf die Spannung nicht auf Kosten der Sicherheit der Fahrer
steigern. Es bringt nichts, noch schneller zu fahren. Die aktuellen
Geschwindigkeiten sind sowieso schon die schnellsten aller Zeiten.
Wahrscheinlich sind sie schon jetzt höher als den Nervenbahnen im
Gehirn zugemutet werden sollte. Im richtig verstandenen
Sport resultiert die Spannung aus der Ungewissheit des Ausgangs. Die
Zuschauer kommen, weil sie die Frage bewegt: Wer gewinnt? Erleben wir
dasselbe wie immer, oder gibt es eine Überraschung?
|
Aus Gründen der
Sicherheit, und auch um die sportlichen Bemühungen nicht zu sehr in
Richtung Schnelligkeit zu lenken, wäre Folgendes sinnvoll:
|
(1) Damit die Rennen
wieder spannender werden, sollte man die Teilnehmer in umgekehrter
Reihenfolge starten lassen: den aktuell in der Gesamtwertung Führenden
als Letzten, den aktuell an letzter Stelle liegenden als Ersten,
getrennt durch jeweils 10 Sekunden. Damit entfällt der unfallträchtige
Massenstart, und die Rennen bleiben über die ganze Saison spannend.
|
(2) Was wird dann aus den Trainingsfahrten in den Tagen vor dem Rennen?
Wieder das, was der Name eigentlich sagt: ein Training für das Rennen.
Sie haben diesen Charakter längst verloren und sind praktisch zu einem
Teil des Rennens geworden. Wer die schnellste Trainingsrunde fährt, bekommt eine Tafel Schokolade.
|
(3) Schluss
mit der Hetzerei in den Boxen. Ein Boxenstop muss mindestens 20
Sekunden dauern. Es gibt tatsächlich Zuschauer, die freuen sich über
herumfliegende Reifen oder mitgeschleifte Mechaniker, aber wie gesagt:
Wir wollen keine Gladiatorenspiele.
|
(4) Weg mit diesen seltsamen Reifenregeln. Die durchschaut sowieso keiner mehr. Jeder
soll sooft die Reifen wechseln wie er es für sinnvoll hält. Bei einer
auf mindestens 20 Sekunden verlängerten Boxenzeit wird man sich einen
Reifenwechsel sowieso 3 Mal überlegen.
|
Motorengeräusche,
Benzinverbrauch und Reifenabrieb sind notwendige, aber im Rahmen der
technischen Möglichkeiten soweit wie möglich zu reduzierende
Begleiterscheinungen. Im Vordergrund soll das Fahrgeschick der
Teilnehmer stehen. Die Motoren sollen ruhig leiser werden, die Autos
leichter, der Benzinverbrauch und der Abrieb niedriger, und wenn dann
die Rundenzeiten ein bisschen länger sind: wen stört das?
|
10/17 < MB
(3/18) < 4/18
|
Ozolins,
Bede; Aimers, Nicole; Parrington, Lucy; Pearce, Alan J. (2016).
Movement disorders and motor impairments following repeated head
trauma: A systematic review of the literature 1990–2015.Brain Injury 30: 937–47
|