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Am Abgrund

Auch ein Hitler schaffte 30% in demokratischen Wahlen. Heute aber sind wir gewarnt. Wir wissen, wie es weitergehen könnte. Den Menschen ist nicht zu trauen. Lässt man sie gewähren, reißen sie uns alle in den Abgrund. Nachher will's dann keiner gewesen sein. Natürlich ist es verboten, uns alle in den Abgrund zu reißen. Jeder, der es auch nur versucht, wird eingesperrt. Zumindest muss er / sie Strafe zahlen beim ersten Mal. Im Wiederholungsfall wird's teurer.
Die Klaviatur der breiten Masse ist tabu. Man klimpert nicht auf ihr herum. Vielleicht gibt es in der Judikatur zur Wiederbetätigung den einen oder anderen Straftatbestand, der noch nicht in der erforderlichen Präzision ausformuliert wurde. Es wird langsam Zeit, dass wir das tun. Erst dann wird es endlich 'game over' heißen für Typen, die es immer wieder juckt, einen auf Hitler zu machen.
Das eben gewählte österreichische Parlament hätte es in der Hand. Noch verfügen jene Parteien, die nach eigenem Bekunden für den Rechtsstaat, für Gewaltenteilung, für unabhängige Berichterstattung und für eine lebendige parlamentarische Demokratie eintreten, über eine bequeme 2/3-Mehrheit im Nationalrat. Die bevorstehenden Monate bieten Gelegenheit, in (mit der gebotenen Leidenschaft zu führenden) Plenardebatten auf all das hinzuweisen, was wir alle schon viel zu lange für selbstverständlich gehalten haben.
Es ist zwar nicht zu erwarten, dass hartgesottenen Anhängern eines autokratischen Herrschaftsstils dabei die Schamesröte ins Gesicht steigen wird, aber eine solche öffentlich geführte Auseinandersetzung könnte so manchem und so mancher, der / die der Regierung einen 'Denkzettel' verpassen wollte, die Augen öffnen.
Dann wird man Nägel mit Köpfen machen. Nein, es ist nicht erlaubt, Bürger und Bürgerinnen aufzuhetzen, ihnen Unwahrheiten einzureden, wissenschaftlich erwiesene Fakten zu leugnen, das Blaue vom Himmel zu versprechen. All das hat in einem Wahlkampf in einem demokratischen Land nichts verloren. Parteien, die sich solcher Argumente bedienen, werden aus dem Bewerb verbannt wie Sportler bei einem Regelverstoß. Die Wählerinnen und Wähler sollen sich darauf verlassen können, dass nur mit seriösen Programmen um ihre Stimmen geworben wird.
Am Ende dieses dringend erforderichen Besinnungs- und Klärungsprozesses wird die Läuterung vom geraden Weg abgekommener Mandatare stehen (unwahrscheinlich) und die Erklärung aller anderen Parteien, dass nur solche, die die nachgeschärften Regeln akzeptieren, einer Regierung angehören können. Erst dann wird man zur Tagespolitik zurückkehren und sich zunächst um das Zustandekommen einer Regierung für die anstehende Legislaturperiode bemühen (durchaus unter möglicher Einbindung von Geläuterten).
Das Parlament hätte es in der Hand. Der amtierende Bundespräsident wäre der Letzte, der etwas gegen einen Schutz des Staates vor autokratischen Begehrlichkeiten einzuwenden hätte. Scheitern wird das heroische Unterfangen daran, dass die autokratischen Krankheitskeime schon längst auch Vertreter jener Parteien befallen haben, die sich jetzt einträchtig bemühen müssten, dem drohenden Unheil Einhalt zu gebieten.
Man fühlt sich an 'Die Nashörner' von Eugène Ionesco erinnert. Hoffentlich kennen noch einige dieses verstörende Stück Literatur.
8/24 <          MB (10/24)          > 11/24