Game over

Das Leben ist wie eine Hühnerleiter? Wie ein Kinderhemd? Es gibt noch eine viel bessere Analogie: Es ist wie ein Flipperspiel. Die Kugel auf der schiefen Ebene. Von alleine geht es nur bergab. Nur am Anfang springt die Kugel ganz oben hin und her, das Zählwerk läuft wie von selbst, alles leuchtet, alles summt und blitzt und kracht. Aber früher oder später findet sie ihren Weg nach unten. Und so sehr man sich auch bemüht: man kriegt sie nie wieder ganz nach oben, nie wieder wird es so wie es am Anfang war. Da kann man noch so heftig auf die Tasten drücken: Es ist umsonst.  Früher oder später findet die Kugel immer ihren Weg nach unten und geht verloren, wie auch das Leben verloren geht, am Ende. Unausweichlich.
Selig, selig, ein Kind noch zu sein. Wie leicht war es doch, damals, sich zu freuen, zufrieden zu sein, herumzutoben, ausgelassen und unbeschwert. Wie die Flipperkugel kurz nach dem Einschießen zwischen den oberen Kontakten unablässig hin- und herflitzt, als ob es gar kein Ende nehmen möchte. So geht es uns als Kind, und so geht es noch eine ganze Weile weiter in einem jungen Leben, je nach Mentalität. Die einen lassen es länger und heftiger knallen, die anderen kürzer. Aber am Ende starren wir immer auf diese beiden kleinen Hebel ganz unten, auf die die Kugel immer öfter und immer gefährlicher zusaust.
Oh ja, wie wir uns bemühen! Es müßte doch zu schaffen sein! Der richtige Moment, der richtige Schwung! Nur hinauf mit dieser Kugel, möglichst rasch, möglichst hoch, am besten wieder ganz nach oben, zu den vielen bunten, blitzenden Kontakten, wo sie am Anfang so lustig hin- und hergesprungen ist und uns so viele Punkte eingebracht hat. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Punkte, nein. Nur weit weg von dieser letzten Barriere wollen wir sie schießen, weit weg von diesem drohenden Verlust.
Aber es ist wie verhext: Hat die Kugel erst einmal mitgekriegt daß es ein Unten gibt, ein Loch durch das sie schlüpfen kann, ohne daß wir es verhindern können, weil es eine Spur breiter ist als die beiden kleinen Hebel reichen, über die wir gebieten; wenn sie erst das einmal verstanden hat, dann ist es aus. Immer näher rückt das Ende, immer kürzer werden ihre Ausflüge in die oberen Gefilde, und wie auf Schienen zieht sie vorbei an all den himmlischen Kontakten, deren Blitzen wir noch im Auge, deren Summen wir noch im Ohr haben. Sie zieht vorbei, ohne auch nur anzustreifen, und schon steuert sie wieder zu auf diese Pforte des Verderbens.
Ach, könnten wir doch hineingreifen in diesen Apparat, sie abfangen, kurz bevor sie uns verläßt, hinab in die uneinsichtigen Tiefen. Wir können es nicht, eine dicke Scheibe hindert uns daran. Und selbst wenn wir, anders als im Leben, mehr als eine Kugel spielen, als hätten wir mehr als nur dieses eine Leben, am Ende ist auch die letzte Kugel weg: game over. Und nur wenn wir wirklich gut waren, dann dürfen wir uns eintragen in die Besten-Liste. Dort steht dann unser Name, auch wenn das Spiel vorbei.
7/05 <         MB 7/05          > 9/05