Moralische Instanz
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Jetzt
ist es also fix: Fischer gegen Rosenkranz lautet die Aufstellung für
die kommende Wahl zum/zur Bundespräsident/en/in. Die Sprache, die die
freiheitliche Kandidatin dabei führen wird, ist vorhersehbar. Sie wird
in erster Linie versuchen, die Ängste des Wahlvolks vor Überfremdung
anzusprechen. Damit wird sie sicher bei vielen Gehör finden. Ob sie
auch viele wählen werden, ist eine andere Frage. |
Seriöse
Chancen, Fischer zu besiegen, räumt ihr niemand ein. Aber die
Spielregeln der Demokratie verlangen es, daß ihr alle Möglichkeiten
eingeräumt werden, ihre Meinung zu äußern und um Zustimmung zu werben.
Als Demokrat muß man das begrüßen. Uns stehen also in Bälde Plakate,
Ansprachen und Interviews bevor, zum Teil mit den sattsam bekannten
Argumenten und Parolen. |
Und
Fischer? Welche Inhalte sind von ihm zu erwarten? Wird er sich auf
routiniert vorgetragene Allgemeinplätze beschränken? Wird er sich beim
Ausländerthema darauf beschränken, auf den Rechtsstaat zu verweisen und
auf die Einhaltung der Deklarationen, die auch Österreich unterzeichnet
hat? Oder wird er konkret die Themen der Kontrahentin aufgreifen und
offensiv auf jedes einzelne davon eingehen? |
Letzteres wäre zu hoffen, auch wenn das sicher der anstrengendere und schwierigere Weg wäre.
Man sollte dem Wahlvolk soviel Intelligenz und Auffassungsgabe
zutrauen, mit ihm Tacheles zu reden. Für viele stellt gerade der
Bundespräsident eine hohe moralische Autorität dar, vielleicht gerade
deshalb, weil seine tagespolitische Macht bescheiden ist. |
"Natürlich",
so könnte Fischer z.B. sagen, "empfinden viele Österreicherinnen und
Österreicher den in den letzten 40 Jahren stetig gestiegenen und nach
wie vor steigenden Anteil von Mitbürgern mit Migrationshintergrund als
beunruhigend, oft als störend. Jeder Mensch hat eine natürliche
Vorliebe für das Vertraute, das Gewohnte. Niemand läßt sich gern
in seiner Gemütlichkeit stören." |
"Vor
allem die Älteren unter uns", so könnte er fortfahren, "so wie auch ich
selbst, haben aber noch gut in Erinnerung, daß das Leben nicht nur aus
Gemütlichkeit besteht. Es wäre schön, wenn alle Menschen auf dieser
Welt in Frieden und Ordnung leben könnten, genug zu essen hätten, ein
sicheres Dach über dem Kopf, und nicht der Willkür von Aggressoren
ausgeliefert wären. Leider gibt es immer noch zu viele Orte auf dieser
Welt, wo das keine Selbstverständlichkeit ist." |
Und
dann könnte er noch weiter gehen und sagen: "In Gemütlichkeit ein
schönes Leben zu führen, ist keine Heldentat. Was
den Menschen erst zum Menschen macht, ist sein Gefühl, Verantwortung zu
tragen, Verantwortung für den Mitmenschen. Diese Verantwortung tragen
wir nicht nur für unsere Familie, unsere Freunde und Vertrauten. Nein,
auch für die uns Unbekannten tragen wir Verantwortung,
für Fremde, von denen wir zunächst keine Gegenleistung erwarten
können." |
"Wir
tragen diese Verantwortung, weil wir Menschen sind. Genau dadurch wird
nämlich der Mensch vor allen Tieren ausgezeichnet, daß er sich aufgrund
seiner Vernunft anders verhalten kann als es seinem ersten Impuls
entspricht. Ich kann als Mensch, als kultiviertes Wesen, angesichts eines Fremden meinen spontanen
Schrecken, meine natürliche Scheu überwinden und beschließen, mich
höflich, ja freundlich zu verhalten, und im Fremden den Mitmenschen
suchen und ihn einladen, auch mich als seinen Mitmenschen anzunehmen." |
So
könnte er vielleicht reden, der Fischer. Nach allem, was ich in den
letzten Jahrzehnten schon von ihm gehört habe, traue ich ihm das auch
zu. Womöglich hat er Ähnliches sogar schon gesagt, und ich war bloß
nicht dabei. |
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